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Die fünf Hypothesen der Szenischen Interpretation

Bedeutungskonstruktion

(Konstruktivismus ) Bei der Szenischen Interpretation werden Schüler/innen dazu angeleitet, die Bedeutung, die Musik für sie hat, aktiv, bewusst und selbstbestimmt zu konstruieren, zu kommunizieren und damit auch zu überprüfen.
(Lehrerrolle) Die Lehrerin ist „Prozessorganisatorin“ (Kosuch) im Sinne Hartmut von Hentigs: „die Lernsituation enthält keinen Belehrer. Der Lehrer soll sie lediglich organisieren...“ .

Rollenschutz

(Rollenschutz) Bei einer szenischen Interpretation können Schüler/innen im Schutz einer Rolle Persönliches äußern und sich selbst bewusst machen, was sie ohne diesen Schutz nicht könnten oder nur in schultypisch ritualisierter Form tun würden.
(Rollenspiel) Das Spiel im Schutz der fremden Rolle erfolgt auf persönliche Weise und zeigt, wie die Schüler/in die Rolle und die Situation, in der die Rolle agiert, interpretiert.
(Projektionsfläche) Bei der Szenischen Interpretation dient fremde und ungewohnte Musik als Projektionsfläche für psychische Eigenschaften der Schüler/innen, für Emotionen, Einstellungen, Ängste, Phantasien, Umgang mit Verdrängtem und Tabuisierten usw., ohne dass therapeutische Ziele verfolgt würden oder die Szenische Interpretation Therapie wäre. Die szenische Arbeit erfolgt stets entlang eines (ästhetischen) Gegenstandes.

Interpretieren und Lernen

(Interpretation) Die Szenische Interpretation ist ein Konzept musikwissenschaftlichen Interpretierens, das eigenständige und verifizierbare Ergebnisse zutage fördern kann . Das „Verstehen von Musik“ erfolgt dabei „konstruktivistisch“ und nicht im Sinne von Hermeneutik, Philologie, Exegese oder didaktischer Interpretation.
(Erfahrungslernen) Die Szenische Interpretation ist ein Konzept des Erfahrungslernens. Dabei werden Erlebnisse beim Spielen sowohl durch spezifische Spielverfahren („szenische Reflexion“) als auch durch eigene Reflexionsphasen zu (Lern-)Erfahrungen verarbeitet. Die Reihenfolge „erst das Spielen, dann das Drüber-Nachdenken“ ist aufgehoben („erweiterter Schnittstellenansatz“).
(Voraussetzungslosigkeit) Die Szenische Interpretation berücksichtigt alle Lernvoraussetzungen bzw. -defizite und kann mit „leistungsheterogenen“ Klassen produktiv umgehen. Ein „aufbauender Unterricht“ als Lernvoraussetzung ist nicht nötig, wenn auch denkbar.
(Lernen mit allen Sinnen) Die Szenische Interpretation ist ein ideales (eventuell sogar das einzige praktikable) Konzept für ein „Lernen mit allen Sinnen“ im Musikunterricht, indem das „Lernen mit dem Körper“ gegenüber anderen Lernfomen aufwertet wird. Sie ist bezüglich Musiktheater die einzige nicht-defizitäre Lernform. Sie ist insofern „kompensatorisch“ als sie weniger „redegewandten“ Schüler/innen eine besondere Beteiligungsmöglichkeit am schulischen Diskurs bietet.

Umgang mit Musik

("Gebrauchspraxen" ) Bei der Szenischen Interpretation ist nicht „die Musik“ sondern der musikalisch tätige Mensch Ausgangspunkt für die musikdidaktische Perspektive.
(Kulturerschließung ) Bei der Szenischen Interpretation wird Musik und werden musikalische Gebrauchspraxen grundsätzlich kulturerschließend behandelt. Die Szenische Interpretation verfolgt dabei einen bedeutungsorientierten Kulturbegriff.

Musik als ästhetischer und komponierter "Gegenstand"

(Motivation und Musikanalyse) Die Szenische Interpretation motiviert Schüler/innen Musik auch strukturell analysieren zu wollen. Sie führt darüber hinaus auch zu neuartigen oft subjektiv bedeutsamen Analyseergebnissen, wie sie durch pure Noten- und Höranalyse oder ein Klassenmusizieren nicht zu erreichen wären.
(Musik als ästhetisches Phänomen) Die Besonderheiten der Musik als einer ästhetischen Aneignung von Wirklichkeit wird durch eine szenische Interpretation von den Schüler/innen in subjektiv nachvollziehbarer Weise erfahren. Szenische Interpretation ist insofern eine „Erschließung von Kunst“.

Die vorliegenden Formulierungen sind an die Begrifflichkeit der "MusikDidaktik. Praxishandbuch 2022", hg. von Werner Jank, angelehnt.